Wir arbeiten an unserer Zukunft

Timing macht den Unterschied

Amazon hat früh den Trend erkannt: das Timing bekommt im alltäglichen Leben einen immer höheren Stellenwert. Ein Gedanke, ein Wunsch – Erfüllung jetzt, oder spätestens morgen. Warten bis Weihnachten? Von gestern.

Mit rigorosem Fokus hat Amazon weltweit extreme Lieferzeiten realisiert. Was immer schon im Menschen ein Wunsch war, wurde nach und nach zur Realität, und mittlerweile zum Standard, zur Erwartung. Ein Kaufentscheidender Faktor. DHL und andere Dienstleister erfanden sich neu und stehen jetzt auch anderen Marktteilnehmern zur Verfügung.

Aber: Amazon bleibt dabei nicht stehen und entwickelt schon eigene weitergehende proprietäre Logistik-Elemente. Kommt eines Tages an Amazon niemand mehr vorbei?

Was ergibt sich daraus für alle Nicht-Konsumenten, alle Geschäfte, Organisationen, Behörden? Alle, die nicht gerade Amazon heißen?

  • Wir müssen uns brutal ehrlich fragen, wie (nicht ob) diese Entwicklung uns betrifft. Als konstruktive Zerstörer alles infrage stellen, was sich wie eine vorschnelle Entschuldigung anhört.
  • Die Zielsetzung für unsere Organisation muss sich in jeder Beziehung am Amazon Standard messen lassen und ihn gezielt sogar übertreffen.
  • Die neuen Ziele müssen mit großer Konsequenz und wenig Kompromiss umgesetzt werden
  • Wir selbst, aber vor allem unsere Mitarbeiter müssen diese neue Herausforderung als frische Motivation empfinden, die ihnen neue Kraft gibt, und nicht etwa zusätzliche Kraft abverlangt.

Als ich den 90er Jahren bei Premiere (heute Sky) zusammen mit Kühne und Nagel und unserem Händlernetzt die Same-Day Auslieferung aufgebaut habe, war das ein verwegener Gedanke. Es ging dabei nicht um die Erfüllung von Kundenwünschen, sondern um die Überraschung des Kunden mit etwas Außergewöhnlichem, Unerwartetem. Siehe Disney, Apple iPhone, Amazon Prime. Es erfordert visionäres Denken und ein exzellentes Gespür für die Seele des Kunden, die gesellschaftlichen Trends und das technisch Machbare.

In diesem Umfeld wird Großes und Neues geboren.

Stellen wir uns einmal vor, dieser Geist nähme auch Einzug in öffentliche, nicht kommerzielle Institutionen – wir würden uns vor Überraschung und Freude, noch ein wenig ungläubig, die Augen reiben. Eine Anfrage bei der Rentenversicherung wäre innerhalb von 3 Tagen in der Email-Inbox. Der neue Pass läge in der nächsten Woche zur Abholung bereit. Der Behördengang wäre im Wesentlichen ein Internetgeschäft, mit live Chats zur Unterstützung. Für den Rest ein spontaner Besuch im Kundenzentrum mit akzeptabler Wartezeit. Ein wichtiger Meilenstein in der Wiederherstellung des Vertrauens in die Politik, die Exekutive!

Nicht möglich. Zu teuer. Genau gegen solche Schnellurteile müssen wir uns schützen. Es gäbe keine Eisenbahn, kein iPhone und vieles andere. Wenn wir nicht durch diese Mauern brechen, bleiben wir, wo wir (bald nicht mehr) sind.

Wie gehe ich mit stark schwankendem Arbeitsvolumen um? Wie kann man Prozesse kostenneutral verändern, um Unmögliches möglich zu machen. Vor solchen Anforderungen habe ich oft gestanden mit dem Ergebnis: es gibt fast immer den ANDEREN WEG, der das Neue möglich macht, der den „Berg versetzt“.

Ist der stationäre Handel noch zu retten? Eine Frage für sich. Jedenfalls nicht, indem man dieses Thema ignoriert oder gar versucht, die Entwicklung aufzuhalten.

Muss das denn alles sein? Entschleunigung bitte! Auch diesen berechtigten Wunsch einzelner muss man respektieren. Einen Weg finden. – Und die persönliche Entschleunigung wird ein anderes bedeutendes Thema sein, an dem kreativ gearbeitet werden muss.

Für eine Gesellschaft als Teil der Weltwirtschaft ist eine solche Option jedoch gefährliche Träumerei. Auf gleichem Niveau wie die Forderung, die Armee oder die Geheimdienste abzuschaffen.

 

Jetzt ist die Zeit, Initiative zu ergreifen, innezuhalten, Strategiearbeit zu leisten. Wir müssen uns unsere Zukunft erarbeiten. Kreativ zusammenarbeiten, zusammenstehen und voneinander lernen.